Auf der Suche nach den kulturellen Perlen. Der Kulturagent Dr. Ralf Eger über seine drei Hamburger Kulturagenten-Schulen

24. Januar 2013
Ralf Eger

Seit einem Jahr begibt sich der Hamburger Kulturagent Dr. Ralf Eger auf die Suche nach den kulturellen Perlen seiner drei Kulturagenten-Schulen - und das sehr erfolgreich: Mit einem Poetry-Slam Schulwettbewerb, einem Schulsong oder Theater im öffentlichen Raum schafft er es, bei den Schülerinnen und Schülern seiner drei Netzwerkschulen, der Stadtteilschule Fischbek-Falkenberg, der Goethe-Schule-Harburg und der Stadtteilschule Süderelbe, Neugier für Kunst und Kultur zu wecken. Ein Bericht aus dem Alltag des Kulturagenten Dr. Ralf Eger.

 

Von Ralf Eger

Warum bin ich Kulturagent geworden? Diese Frage stelle ich mir immer wieder und interessanterweise bleibt die Antwort stets die gleiche: Ich möchte, dass Kinder und Jugendliche in spannenden künstlerischen Projekten sich und die Welt neu erleben können. Sie bekommen die Möglichkeit, in ihrer Arbeit über sich hinauszuwachsen, und durch ein „Wow“-Erlebnis werden sie motiviert und zugleich persönlich gestärkt. In einem Musiktheater, Projekt, das ich mit 500 Schülerinnen und Schülern inszeniert hatte, stellte sich genau dieses Gefühl bei den Beteiligten ein – das will ich weiter verfolgen.

Um dieses Wow-Gefühl zu erzeugen, bedarf es viel Arbeit. Mein Arbeitsalltag ist derzeit geprägt von zahlreichen Besprechungen, viel Organisation und dem Aufbau von Strukturen in den Schulen, auf denen künstlerische Projekte nachhaltig und in hoher Qualität gedeihen können. Dass diese Themen momentan meinen Alltag bestimmen, liegt sicher daran, dass ich es in Hamburg mit sehr großen und komplexen Schulen zu tun habe. Zwei meiner Schulen haben ca. 1.600 Schülerinnen und Schüler und sind jeweils auf zwei Standorte verteilt, die dritte hat an die 1.000 Schülerinnen und Schüler.

Mein Vorgehen an den Schulen ist ganz unterschiedlich. Ich versuche dort anzusetzen, wo die jeweilige Schule gerade steht bzw. welche Themen die Schule gerade beschäftigen. Teilweise ist meine Rolle die eines Moderators, der die zahlreichen Aktivitäten der Schulen bündelt. Es gibt viele kulturelle Projekte auf hohem Niveau und sehr viele Ideen, an die ich anknüpfen kann. Ich versuche Schritt für Schritt mit den Schulen neue Projekt-Formate zu entwickeln, die es erlauben, übergreifende künstlerische Projekte dauerhaft in den Schulalltag zu integrieren und diese für die breite Schulöffentlichkeit stärker präsent zu machen. Und ich entdecke in vielen Klassen immer wieder schlummernde Talente, Ideen und Perlen, die es lohnt zu bergen.

Recycling-Kunst und Urban-Gardening

So sind wir in der Stadtteilschule Süderelbe im ersten Jahr mit einigen kleineren Projekten gestartet. Dabei haben wir bereits einige Perlen gehoben. Ein sehr toller Theaterkurs im Jahrgang 10 hat beispielsweise ein Theaterprojekt im öffentlichen Raum umgesetzt. Geprobt wurde in Einkaufszentren und im Hamburger Rathaus. Schließlich wurde aus dem Projekt ein Stationen-Stück in den Hamburger Tropengewächshäusern. Ein anderes Projekt war ein Poetry-Slam-Workshop. Eine Teilnehmerin gewann im Anschluss sogar die Vorentscheidung im hamburgweiten Poetry-Slam-Schulwettbewerb der Hamburger Verkehrsbetriebe – ein Highlight, das die positive Wirkung der Kunstgeldprojekte schön verdeutlicht.

Durch solche Erfolge versuche ich an den Schulen weitere Mitstreiter zu gewinnen, wie beispielsweise die Umweltgruppe an der Schule. So entstehen Ideen zu Recycling-Kunst oder Urban-Gardening. Im kommenden Jahr planen wir an dieser Schule das Projekt Schul-Song, bei dem die Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit Profis Texte und Melodien für ihren Song entwickeln und dann professionell produzieren. Durch solche Projekte unter dem Motto „Kultur für alle“ wird sich eine andere Wertschätzung für Kultur in der Schule ausbilden.

Gemeinsinn und Identität

Die Stadtteilschule Fischbek/Falkenberg befasst sich derzeit mit dem Thema „Gemeinsame Identität“, da hier zwei Schulen zu einer neuen verschmolzen wurden. Dies war Ausgangspunkt für die künstlerische Projektkonzeption. Gemeinsam mit den Deichtorhallen Hamburg haben wir daraufhin das jahrgangs- und standortübergreifende Kunstprojekt „Gemeinsam stark“ entwickelt und dabei einen starken Kulturpartner gewonnen. Schülerinnen und Schüler aus den Jahrgängen 6 und 11 werden im Unterricht ein ganzes Schuljahr von Künstlerinnen und Künstlern begleitet und erarbeiten dann gemeinsam in einer Projektwoche ein Kunstwerk. Ob eine Skulptur oder eine Medieninstallation entstehen wird, das entscheiden die Schülerinnen und Schüler im Verlauf der Arbeit selbst. Das Ganze mündet dann in einem Kulturfest für die gesamte Schule und beide Standorte. Dieses Fest soll sich perspektivisch zu einem Raum entwickeln, in dem sich alle künstlerischen Sparten einbringen und präsentieren können. Das ist ein Ansatz, wie sich eine Zusammenarbeit zwischen den beiden Standorten Fischbek und Falkenberg etablieren lässt und wie weitere Akteure in der Schule in das Kulturagenten-Programm eingebunden werden können, aus denen weitere spannende Projekte hervorgehen werden.

Eine Kulturschmiede entsteht

Meine Arbeit an der Goethe-Schule-Harburg stand im ersten Jahr ganz im Zeichen des Kulturfahrplans und der Bündelung der künstlerischen Aktivitäten. Die Schule war bereits 2006 Pilot-Kulturschule und Kultur ist ein zentrales Thema auf allen Ebenen geworden. Hier ringt man schon lange um ein kulturelles Leitbild, und der Kulturfahrplan, den wir im Rahmen des Kulturagenten-Programms mit den Schulen entwickeln, bot hierfür einen sehr guten Anlass. Für die Bündelung der vielen künstlerischen Aktivitäten und Veranstaltungen macht sich die Schule gerade auf den Weg, einen Spielplan – ähnlich dem eines Theaters – zu entwerfen. Mein Bild hierfür ist: Eine Kulturschmiede entsteht. Ein Wow-Erlebnis hatte ich, als ich letztes Jahr die Aufführung des Schulmusicals mit über 100 Mitwirkenden sah. Alles wurde in der Schule von den Schülerinnen und Schülern und Lehrerinnen und Lehrern entwickelt: Text, Komposition, Bühne, Kostüme ...

Zukunftswerkstatt

Einen Schwerpunkt, den ich an dieser Schule derzeit zusammen mit dem Kollegium verfolge, heißt: Partizipation. Wir suchen gemeinsam Wege und nachhaltige Strukturen, damit die Schülerinnen und Schüler ihre Kulturschule in Zukunft inhaltlich gestalten können. Auftakt war nach den Herbstferien eine Zukunftswerkstatt. Die Schülerideen sollen jetzt mit Projekten unterstützt werden. Als erstes Projekt gehen wir die künstlerische Gestaltung der Schultoiletten an. Ein weiteres Kunstgeldprojekt mit Goethe-Portraits in Streetart-Ästhetik und künstlerischen Interventionen hat die Umbenennung der Schule Mitte November 2012 in Goethe-Schule-Harburg künstlerisch eingeleitet. Daneben ist derzeit ein großes Theaterprojekt für alle 6. Klassen in der Konzeption.

Obwohl meine Schulen unterschiedliche künstlerische Schwerpunkte setzen, haben sie jedoch etwas ganz Wichtiges gemeinsam: In allen gibt es kulturelle Perlen, manchmal versteckt, manchmal offen sichtbar, und vor allem sehr engagierte und talentierte Schülerinnen und Schüler. Ich bin mir sicher, dass wir im Verlauf des Kulturagenten-Programms noch viele weitere Schätze in den Schulen entdecken werden, die bei den Kindern und Jugendlichen ein ganz eigenes „Wow“-Gefühl auslösen.

 

Zur Person:

Den Regisseur und promovierten Ingenieur Dr. Ralf Eger fasziniert das Musiktheater als Gesamtkunstform, das er als Medium begreift, um sowohl mit Künstlerinnen und Künstlern als auch mit Schülerinnen und Schüler spartenübergreifend und prozessorientiert zu arbeiten. Neben seinen Arbeiten für Bühne und Rundfunk hat er z.B. das Thema Fußball musiktheatralisch mit 500 Schülerinnen und Schülern aus neun Hamburger Schulen auf Kampnagel umgesetzt. Seine Erfahrung in der Begleitung komplexer IT-Projekte in Großunternehmen bringt er dabei ebenso ein wie seine Begeisterung für Chor und Acappella- Gesang. Ralf Eger ist Kulturagent der Stadtteilschule Fischbek-Falkenberg, der Goethe-Schule-Harburg und der Stadtteilschule Süderelbe.

Kontakt: ralf.eger@kulturagenten-programm.de


Kontakt

  • Landesbüro Hamburg "Kulturagenten für kreative Schulen"
  • conecco gUG Kultur, Entwicklung und Management
  • Ruth Zimmer
  • Stresemannstraße 29
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www.kulturagenten-hamburg.de