Praxisforschungs-Projekte der Kulturagentinnen und Kulturagenten

17. Oktober 2014

Die Akademie im Kulturagentenprogramm ist seit Beginn die Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis, Diskurs und Projekt. Sie ist für die Kulturagentinnen und Kulturagenten ein Ort der inhaltlichen Vertiefung und Kontextualisierung ihrer Arbeit und gibt ihnen Raum, die Komplexität des Feldes, in dem sie arbeiten, zu reflektieren. Im inzwischen vierten Programmjahr entwickeln alle Kulturagentinnen und Kulturagenten zur Reflexion der Praxis nun ein eigenes Forschungsprojekt. Im Sinne der Praxisforschung bieten ihnen diese Vorhaben die Möglichkeit, ihr Handeln im Rahmen des Modellprogramms in den Blick zu nehmen und ausgehend von Fragen, die für ihre jeweilige Arbeit relevant sind, differenziert zu betrachten…

Es geht dabei vor allem um Erkenntnisgewinn, Qualitätszuwachs durch Weiterentwicklung der beruflichen Praxis und zunehmende Professionalisierung durch systematische Reflexion möglichst vieler am Programm beteiligter Akteure.

Die Zugänge zur Praxis sind sehr individuell und weisen ein breites methodisches Spektrum auf. Beispielsweise untersuchen zwei Kulturagenten, in welcher Weise sich ihre Arbeit anhand des Posteingangs und –ausgangs ihrer Mailaccounts abbilden lässt. Dafür analysieren sie rund 3.000 E-Mails der letzten drei Jahre unter bestimmten Kriterien: An wen wurden wie viele E-Mails versendet? Welche Begriffe wurden am häufigsten verwendet? Was zeigt sich in den Betreffzeilen? Bei diesem Forschungsvorhaben handelt es sich zunächst einmal um den Versuch, die umfangreiche Kommunikationsleistung eines Kulturagenten sichtbar zu machen und darüber hinaus herauszufinden, was sich anhand dieser Kommunikation zeigt.

Mit einer ähnlichen Frage befasst sich das Vorhaben einer anderen Kulturagentin, die anhand eines Fotos, das sie einmal die Woche macht, das Spektrum ihrer Tätigkeiten visualisieren und analysieren wird. Darüber hinaus beschäftigen sich mehrere Vorhaben auf je unterschiedliche Weise mit der Frage „Was bleibt?“. Sie versuchen über Interviews, persönliche Plädoyers oder mit der Methode des automatischen Schreibens die unterschiedlichen Perspektiven der am Programm Beteiligten einzufangen: Schülerinnen und Schüler, Lehrende, Kulturbeauftragte, Künstlerinnen und Künstler etc.

Zwei Kulturagentinnen wiederum haben sich für ein dialogisches Forschungsvorhaben zusammengeschlossen und untersuchen aus verschiedenen Richtungen die Zusammenarbeit zwischen Museum und Schule: Während die eine den Museumsbegriff aus den Blickwinkeln von Schülerinnen und Schülern befragt, entwickelt die andere einen Bildungsfahrplan mit einem Museum und versucht dessen Kulturinstitutionssicht auf Lernen und Schule einzufangen. Der Dialog ermöglicht in allen Phasen des Praxisforschungsprojektes – in der Planungs-, der Erhebungs- und in der Auswertungsphase – den Austausch untereinander und einen mehrperspektivischen sowie vergleichenden Blick auf die Daten.

So unterschiedlich sich die einzelnen Forschungsvorhaben der Kulturagentinnen und Kulturagenten entfalten, so prägt sie doch ein spezifisches gemeinsames Interesse, nämlich das in ihrer Arbeit selbstverständlich Gewordene noch einmal genauer in den Blick zu nehmen. Diese Auseinandersetzung ist im Sinne einer reflexiven Praxis wesentlich.

Aus der Perspektive der Qualifizierung von Kulturagentinnen und Kulturagenten erfüllen die Forschungsvorhaben gleich mehrere Funktionen: Sie geben den Kulturagentinnen und Kulturagenten Raum, ihre für sie bedeutsamen Fragen genauer zu betrachten und zu verstehen. Dieses präzise Hinschauen ermöglicht es ihnen, sichtbar werden zu lassen, wie kompliziert und widerständig sich die Praxis oftmals verhält und diese Komplexität anderen zu vermitteln. Die Forschungsprojekte können dabei helfen, Reflexionsräume mit anderen am Programm beteiligten Akteuren aus Kunst und Bildung zu öffnen, um eventuell gemeinsam neue Ideen für die Praxis zu generieren. Die systematische Reflexion möglichst vieler Akteure kann dazu beitragen, dass sich der Austausch über Strukturen, Prozesse, Methoden und Arbeitsweisen vertieft.

Vom 11. – 14. November 2014 findet in Hamburg das 8. Akademiemodul zum Thema Praxisreflexion statt. Dort werden die Forschungsvorhaben der Kulturagenten weiter bearbeitet. Darüber hinaus werden die Kulturagenten zu den Themen Verstetigung und Transfer arbeiten.

Kontakt

  • Landesstelle "Kulturagenten für kreative Schulen Thüringen"
  • Landesvereinigung kulturelle Jugendbildung Thüringen e.V.
  • Sarah Hertam, Leitung
  • Anger 10
  • 99084 Erfurt